>> Man erzählt seine Geschichte, vergießt die eine oder andere Träne. Das bringt Erleichterung. <<
UTE GEHRING, POST-COVID-PATIENTIN
Einen neuen Umgang lernen
Atemnot, Erschöpfung, Konzentrationsprobleme: Wie Reha bei Post-Covid hilft.
Mitten im Schwarzwald, umgeben von den typischen Nadelwäldern und einer Landschaft, die zum Durchatmen einlädt, liegt das Reha-Zentrum Todtmoos. Früher stand hier oben ein Lungensanatorium. „Der deutsche Zauberberg“, heißt es auf Postkarten. Ute Gehring ist seit vier Wochen hier und gehört zu einer Gruppe, die inzwischen ein Drittel aller Patienten in Todtmoos ausmacht: Sie hat Post-Covid. Im Oktober 2021 steckt sich die 57-Jährige trotz zweifacher Impfung mit der Delta-Variante an – ein sogenannter milder Covid-Verlauf mit Husten, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Viele Gedanken macht sie sich damals nicht um sich selbst, denn ihr Vater liegt zeitgleich mit einem schweren Verlauf im Krankenhaus, den er letztlich nicht überlebt. Dass kein persönlicher Abschied möglich ist, ist hart für Ute Gehring. Zehn Tage verbringt sie vorschriftsmäßig in Quarantäne, aber danach ist sie längst nicht wieder fit: Atemnot bei kleinsten Anstrengungen und Husten begleiten sie. Erst im Januar 2022 kann sie an ihren Arbeitsplatz im Büro zurückkehren. „Acht Stunden Arbeit – das ging zwar irgendwie, aber danach war nicht mehr viel möglich. Ich musste alles auf das Wochenende schieben“, erinnert sie sich. Vor der Corona-Erkrankung war Ute Gehring sportlich aktiv, ging joggen und wandern. „Zu Hause steht ein Laufband, aber es war gar nicht mehr daran zu denken, dass ich das benutze.“ Mit der Zeit wird ihr klar, dass sie außerdem an einer extremen Konzentrationsschwäche leidet. Zum Beispiel fehlt ihr mitten im Satz plötzlich ein Wort. Um sich Neues merken zu können, baut sie sich Eselsbrücken. In Alltag und Job hilft sie sich mit Notizzetteln. Was da nicht draufsteht, vergisst sie. Alles Dinge, die sie vorher nicht von sich kannte. Privat zieht sie sich lange Zeit aus allem raus. Irgendwann schlägt ihr der Hausarzt eine Reha vor, um körperlich wieder fitter zu werden und wieder am normalen Leben teilhaben zu können. Ihre ersten Gedanken gehen Richtung Meer und Seeluft, doch sie bekommt einen Platz im Schwarzwald angeboten. „Rückblickend genau das Richtige, denn ich konnte hier so viel profitieren“, so die Duisburgerin. Atmen? Kann man neu lernen! Der erste positive Effekt, der sich in der Reha bemerkbar macht: Sie lernt andere Betroffene kennen, die ähnliche Probleme haben. „Man sieht mir die Erkrankung nicht an. Deshalb höre ich oft: Stell dich nicht so an, das geht wieder weg – was leider nicht hilfreich ist.“ Hier im Reha-Zentrum hingegen sind Menschen, denen klar ist, dass sie nicht mal eben schnell die Treppe hochgehen kann. Bei der anfänglichen Diagnostik wird festgestellt, dass ihre Lungenfunktion etwas eingeschränkt ist. Auch ihr Puls ist permanent zu hoch. Mit einem auf sie zugeschnittenen Therapieplan wird sie ganz langsam ans Training herangeführt. Niemand soll sich überlasten, deshalb werden Puls und Atmung überwacht. In diesem geschützten Rahmen hat Ute Gehring es mithilfe von Nordic Walking, Wassergymnastik, Ergometer und Co. innerhalb von vier Wochen geschafft, ihre Fitness merklich zu steigern. Bei der Konzentration hingegen hapert es noch immer. „Bei Dingen wie der Atemschule war ich anfangs skeptisch. Ich dachte: Ich kann doch atmen. Tatsächlich hat mir das aber viel gebracht, genau wie Meditation und andere Entspannungsangebote. Das werde ich auf jeden Fall mit nach Hause nehmen und in meinen Alltag einbauen“, so Ute Gehring. Das Gleiche gilt für die gesunde Ernährung, die ihr guttut und von der sie sich einiges abschauen will. Die Reha bietet in ihren Augen optimale Bedingungen, um vieles auszuprobieren, was man im Alltag nicht machen würde und wozu einem die Zeit fehlt.
>> Ute früher und Ute jetzt – der Unterschied ist für viele noch zu groß. <<
UTE GEHRING, POST-COVID-PATIENTIN
Vieles will sie mit in den Alltag nehmen Zudem hat die Zeit in Todtmoos ihre innere Einstellung und ihren Umgang mit der Krankheit verändert. Sie setzt sich jetzt weniger unter Druck, kann besser annehmen, was ist, und will in Zukunft nicht mehr verschweigen, wie es ihr geht. Nach fünf Wochen auf dem „Zauberberg“ freut sie sich auch wieder auf zu Hause. Mit ihrem Mann kann sie gut reden, aber viele Freunde und Bekannte können den Unterschied zwischen „Ute früher und Ute jetzt“ noch nicht so gut annehmen. „Ich war immer mittendrin, die, mit der man die Kuh vom Nachbarn grün anstreicht. Das ist jetzt nicht mehr so.“ Wie es weitergeht, kann ihr keiner sagen. Geht es wieder weg, wird es besser oder womöglich noch schlechter? Was, wenn sie sich nochmal infiziert? Die Unsicherheit ist immer noch da. Aber dank der Reha kann sie sie nun besser akzeptieren. Sie hat sich vorgenommen, möglichst viel neu Erlerntes in den Alltag einzubauen – und wenn es nur kleine Dinge sind wie eine kurze Meditation zwischendurch.
Die Klinik Wehrawald liegt in einem sonnigen Hochtal, umgeben von Natur. Das milde Reizklima ist ideal bei Lungenproblemen.
Reha-Zentrum Todtmoos Klinik Wehrawald
Das Reha-Zentrum Todtmoos liegt im südlichen Hochschwarzwald. Schwerpunkte sind Pneumologie, Psychosomatik und Onkologie, auch eine Duale Reha (Psycho-Pneumologie) wird angeboten. Jahrzehntelange Erfahrung hat die Klinik unter anderem mit der seltenen Erkrankung Sarkoidose, die alle Organsysteme betreffen kann und meist auch die Lunge befällt. „Was uns als Klinik ausmacht, ist, dass wir uns viel Zeit für unsere Patientinnen und Patienten nehmen können und auch sehr auf unsere Mitarbeitenden achten“, so Kaufmännischer Direktor Jens Mertens. Das moderne Gebäude bietet moderne Arbeitsplätze und Ausstattung. „Wir wollen die Klinik modern halten und weiterentwickeln – auch ökologisch. Das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben.“ Eine weitere Besonderheit: Über 13 eigene Quellen wird das komplette Haus mit frischem Wasser versorgt.
Die Klinik Wehrawald ist nicht nur malerisch gelegen, sondern bietet auch Komfort und diverse Sport- und Freizeitangebote – ob beim Sport im Hallenbad, beim Spaziergang in den nahegelegenen Ortskern oder beim Entspannen auf der Terrasse.
Post-Covid-Konzept
Für das neue Krankheitsbild Post-Covid hat der Psychiater Dr. med. Gerhard Sütfels in Todtmoos ein Behandlungskonzept entwickelt. „Eingeschränkte Belastbarkeit und die Fatigue-Symptomatik erfordern einen besonderen Umgang: Für jeden Einzelfall muss eine individuelle Belastungsstufe gefunden werden“, so der Chefarzt Robert Müller. Oft lässt sich so in der Reha eine deutliche Besserung erzielen. Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, die in 70 bis 80 Prozent der Fälle anzutreffen sind, dauern dagegen oft viele Monate an. Wichtig ist es, auch die psychischen Folgen zu beachten. Hier kann eine Duale Reha sinnvoll sein, bei der zwei Fachbereiche parallel mit den Patientinnen und Patienten arbeiten.